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Die Spannung steigt: Welche Chancen und Risiken bringen 48-Volt-Energiebordnetze?

15. DEZ 2019
 

Weniger ist oft mehr. Unter diesem Motto trat die 48-Volt-Technik vor rund zwei Jahren erstmals an. „Weniger“ bezieht sich dabei sowohl auf die im Vergleich zu klassischen Vollhybriden deutlich abgesenkte Spannung als auch auf die geringeren Kosten. Diese resultieren zu wesentlichen Teilen daraus, dass ein Berührschutz internationalen Normen zufolge erst bei Spannungen oberhalb von 60 Volt notwendig ist. Das „Mehr“ hingegen deutet auf den Zugewinn gegenüber Verbrennungsmotoren hin, die mit einem klassischen 12-Volt-Bordnetz arbeiten. Systeme mit Startergenerator und 48-Volt-Batterie ermöglichen eine höhere Rekuperationsrate der Bremsenergie und verbessern die Energieeffizienz durch elektromotorische Unterstützung des Antriebsstrangs. Zudem kann das Leistungsplus genutzt werden, um elektrische Verbraucher zu versorgen, die einen sehr hohen Energiebedarf aufweisen – etwa einen elektrischen Lader oder einen verstellbaren Wankstabilisator. Aus Kundenprojekten wissen wir, dass im kommenden Jahrzehnt Mild-Hybridfahrzeuge mit 48-Volt-Energiebordnetz hohe Marktanteile erreichen und so einen signifikanten Beitrag zu den Flottenemissionszielen leisten sollen.

 

Erste Mild-Hybridfahrzeuge mit 48-Volt-Energiebordnetz, wie der Audi A8, sind bereits auf dem Markt

Lichtbögen als mögliche Gefahrenquelle

Als Systempartner für die Entwicklung und die Produktion von Bordnetzen haben wir die nächsten Entwicklungsstufen der 48-Volt-Technik im Blick – und die definieren sich vor allem über die steigende elektrische Leistung. Die erste Generation, die bereits auf dem Markt ist, bescheidet sich mit einer Maximalleistung von rund 12 Kilowatt, mit der bereits deutliche Effizienzgewinne möglich sind. Doch es sind bereits Serienentwicklungsprojekte mit Leistungen von bis zu 25 Kilowatt absehbar. Auf der IAA haben einige Zulieferer elektrischer Antriebe bereits Leistungen von 30 bis 40 Kilowatt angekündigt, verbunden mit der Idee, zwei Antriebsmotoren zu kombinieren und so ein reines Elektrofahrzeug auf 48-Volt-Basis zu ermöglichen. Aus Sicht des Bordnetzspezialisten bedeutet dies zunächst schlicht: Mit der Leistung steigt die Stromstärke und damit der benötigte Leiterquerschnitt. Der allerdings fällt bei identischer Leistung deutlich geringer aus als in einem 12-Volt-Bordnetz. So würde ein Kabel, das zehn Kilowatt Leistung bei 12 Volt übertragen kann, mehr als 250 mm2 Querschnittsfläche aufweisen. Bei 48 Volt sind es lediglich circa 70 mm2, abhängig von der Umgebungstemperatur.

Dennoch führen die steigenden Leistungen – und gegebenenfalls eine höhere Anzahl an elektrischen Verbrauchern im 48-Volt-Teilbordnetz – dazu, dass wir bei LEONI einem zweiten Aspekt große Aufmerksamkeit widmen: der Absicherung, und zwar über den ohnehin zu vermeidenden Kurzschluss hinaus. Zwei weitere Fehlertypen sind dabei zu beachten: Zum einen kann es bei Spannungen oberhalb von circa 16 Volt prinzipiell zur Lichtbogenbildung kommen, wenn ein Stromkreis unter Last geöffnet wird. Die offenen Leiter-Enden verhalten sich dabei wie die Elektroden in den Physikversuchen, die vermutlich jeder Elektrotechniker noch aus dem Schulunterricht in Erinnerung hat. Entsteht ein solcher Lichtbogen an Bord, kann dies im schlimmsten Fall einen Brand auslösen.

 

Lichtbögen können mit der Einführung des 48-Volt-Bordnetzes zu einer akuten Gefahrenquelle werden

Zum anderen ist einem Masseverlust vorzubeugen, indem das 48-Volt-Teilbordnetz einen vom 12-Volt-Bordnetz getrennten Massezugang erhält. Würde eine gemeinsame Masse verwendet und diese beschädigt, erfolgte die Rückleitung über das 12-Volt-Bordnetz. In der Folge könnten wertvolle oder sogar sicherheitsrelevante elektronische Komponenten wie Steuergeräte schlagartig zerstört werden.

Ob überhaupt ein Lichtbogen zwischen offenen Leiter-Enden entstehen kann, hängt im Wesentlichen von deren Abstand zueinander sowie von der elektrischen Leistung ab. Bei einer in einem 48-Volt-Bordnetz durchaus realistischen Verbraucherleistung von 2.400 Watt kann ein Lichtbogen noch bei Elektrodenabständen von mehr als 6 mm auftreten. Eine Reihe von Maßnahmen an Steckverbindern und Relais kann den Ursachen einer Lichtbogenbildung – etwa durch unbeabsichtigtes Abziehen eines Steckers an einer stromführenden Leitung – entgegenwirken. Doch selbst bei perfekter konstruktiver Ausführung aller Einzelkomponenten, beispielsweise was die exakte Einhaltung von Mindestabständen in Steckverbindern betrifft, ist davon auszugehen, dass durch Beschädigungen Lichtbögen auftreten können. Es empfiehlt sich daher, Systeme zur Detektion und zur Bekämpfung von Lichtbögen einzuführen.

 

Intelligenter 48 Volt Leistungsverteiler

Eine gute Lösung stellt aus LEONI-Sicht eine halbleiterbasierte Leistungsverteilung dar, wie wir sie mit dem auf 48 Volt entwickelten intelligenten Leistungsverteiler anbieten. Er ermöglicht sowohl die sichere Detektion von Spannungsabfällen als auch die Freischaltung betroffener Stromkreise.

Zudem ist aber auch der Lichtbogenbildung zwischen parallel geschalteten Leitern vorzubeugen, etwa durch einen erhöhten mechanischen Schutz, sprich verstärkter Ummantelung.

 

Intelligenter Leistungsverteiler von LEONI: Sichere Detektion von Spannungsabfällen und Freischaltung betroffener Stromkreise

 

 

Statt „weniger ist mehr“ lautet mein Motto für das 48-Volt-Bordnetz daher „sicher ist sicher“, und zwar nicht nur für das Neufahrzeug, das gerade die Fabrikhalle verlässt, sondern für das komplette Autoleben. Daher freue ich mich über jede Diskussion, in die wir unsere Ideen zu einem sicheren 48-Volt-Bordnetz einbringen können.

 

 

AUTOR

Markus Rau

System Development, R&D, LEONI Bordnetz-Systeme GmbH

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