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Digitales Design von Kabelsätzen Überdenken

27. OKT 2021
 

In diesem Blogbeitrag möchte ich Ihnen gerne aufzeigen, inwiefern wir unseren Simulationsprozess hinsichtlich Geschwindigkeit und Optimierung vorangetrieben haben. Bisher haderten wir mit einer hohen Anzahl an benötigten Wiederholungen, bis die ideale Positionierung des Kabelsatzes ermittelt werden konnte. Der Kern unserer neuen Herangehensweise wird als Design Space Exploration bezeichnet und bedient sich eines Optimierungsalgorithmus, um die ideale Kabelsatz-Position in einem vorbestimmten Raum zu ermitteln. Dieser neue Ansatz ermöglichte es uns nicht nur die Prozessdauer auf 24 Stunden zu reduzieren, sondern gleichzeitig auch mehr Zeit in Abstimmungen mit Kunden über die Datenqualität zu investieren.


Wieso sollte man das digitale Design überdenken?

Der Einsatz von Simulationsabläufen ist bereits fester Bestandteil im Arbeitsalltag meiner Kollegen und mir. Sie bieten in vielerlei Bereichen Unterstützung: Von der elektrischen Dimensionierung der Kabel im Kabelsatz, über das Design der mechanischen Komponenten und ihrer Struktur, die passende Platzierung und Kühlung der Elektronik-Leiterplatten, bis hin zur Konstruktion unserer Spritzgusswerkzeuge um das richtige Formgebungsverfahren zu ermöglichen.

Darüber hinaus haben wir zusätzlich mit der Dynamik-Simulation von kritischen Stellen für Kabelsätze begonnen, wie beispielsweise bei Tür- und Kofferraumöffnungen oder der Verbindung von Antriebsstrang und Achsen. Hierbei ist das Ziel zu gewährleisten, dass sowohl Platzierung als auch die Eigenschaften der Kabel passen – wie etwa die Kabellänge, sodass eine gute Performance ohne Bruch- oder Knickgefahr garantiert werden kann.

 

Verfügbare Simulationskategorien bei LEONI

 

Bei der Kabel-Simulation bildet ein genaues Grundverständnis über die zu simulierenden Kabel das Fundament. Aus diesem Grund investierte LEONI in „Mesomics“, ein Messgerät, das basierend auf präzisen Laserausmessungen alle relevanten Parameter, beispielsweise Eigenschaften in Bezug auf die Biegsamkeit, ermittelt.

Mesomics Messgerät, entwickelt vom Fraunhofer Institut

Diese Parameter werden in unsere Datenbank integriert um die Kabel-Simulationsmodelle anzupassen, die in unseren Projekten Anwendung finden.

Während der Arbeit an Projekten können Ingenieure das mechanische 3D Design und Umfeld als Grundlage verwenden, um Spannungen sowie Biegungsradien zu simulieren. Auf Basis der Ergebnisse und der eigenen Erfahrungswerte des Teams an Ingenieuren kann anschließend der Kabelsatz adaptiert werden. Außerdem wird aus den Simulationsergebnissen ein Müdigkeitsindex extrahiert und als Ampelsystem dargestellt, um etwaige Risiken aufzuzeigen. Dementsprechend werden in Bezug auf Fixierungspunkte, Länge der Kabel und Ähnlichem wiederholt Änderungen vorgenommen und evaluiert, bis eine geeignete Kabelführung erreicht wird.

 

Möglichkeiten der Kabel-Simulation durch Expertise bei LEONI

Dieser manuelle Wiederholungsprozess wird aktuell durch zwei Faktoren eingeschränkt: Die Erfahrung des Ingenieurs eine angemessene Lösung bei möglichst geringer Anzahl von Wiederholungen zu finden und der zeitliche Aufwand für manuelle Vorbereitung und Evaluation der Durchführung. In Abhängigkeit von der Komplexität des Anwendungsfalles, beträgt die Dauer des gesamten Simulationsprozesses, bedingt durch die genannten zwei Faktoren, circa eine Woche. Insbesondere in den frühen Phasen der Entwicklung sowie Produktion sind jedoch hohe Flexibilität und schnelle Reaktionen auf unvorhersehbare Änderungen notwendig. Aus diesem Grund ist eine derartige Zeitspanne in unseren Augen nicht länger akzeptabel.


Verbesserungen durch Design Space Exploration

Seit fast zwei Jahren ermitteln wir Möglichkeiten diesen Prozess zu beschleunigen und konnten die Dauer auf beinahe 24 Stunden reduzieren. Unser Ziel war es für die Ingenieure eine Möglichkeit zu bieten, sich nach dem entsprechenden Anwendungsfall auszurichten, die benötigten Daten und Freiheitsgrade zu integrieren und somit das Toolchain selbständig automatisiert laufen zu lassen. Dieses versorgt sie mit den optimalen Ergebnissen, die bereits am nächsten Tag abgeglichen werden können.

Der Wiederholungsprozess wurde zu einem „Closed-Loop-Prozess“ mit einem Optimierungsvorschlag für das Design angepasst, der innerhalb der definierten Freiheitsgrade automatisch Änderungen am vorgeschlagenen Design vornimmt, solange das Biegeproblem nicht gelöst ist.

 

Neue Adaption des iterativen Prozesses: Ein „Closed-Loop-Prozess“ ermöglicht Anpassungen des vorgeschlagenen Designs, bis das Biegeproblem gelöst ist.

Die Idee dahinter ist, mit den 3D-CAD-Daten vom Kunden als Basisdaten zu beginnen. Diese Daten geben den ursprünglichen Fixierungspunkt des Kabelsatzes sowie der umgebenen Teile an – also alle Ausgangsdaten, die für die grundlegende Kabelsimulation benötigt werden. Danach wird eine Simulation gestartet, um die verschiedenen Einschränkungen wie Biegeradius und Spannung sowie den Abstand zwischen dem Kabel und den umgebenden Teilen zu überprüfen. Die Ergebnisse werden in einer Tabelle gespeichert, bevor die Bewertung erfolgt, ob diese eine optimale Lösung darstellen oder nicht. Das ist die erste Ausgangsschleife. Anschließend werden an den ursprünglichen 3D Daten einige Eingabeparameter geändert um zu prüfen, ob der neue Entwurf die Ergebnisse verbessert. Nach mehreren Schleifen werden die verschiedenen Ergebnisse in der Tabelle gespeichert letztlich die optimale Konfiguration des Entwurfs angezeigt.

Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, wird das Projekt durch einige Eingabedaten bestimmt. Bei diesen handelt es sich um geometrische Parameter (N). Mit diesen Eingangsparametern beginnt die Optimierungssoftware mit einem Entwurf des Experiments, um eine grobe Schätzung der verschiedenen Ausgangsparameter entsprechend der breiten Variation der Eingangsparameter zu erhalten. Diese Konfigurationen werden mit dem Simulationsmodell verknüpft, um den Wert der Ausgangsparameter zu überprüfen. Mit diesen ersten Ergebnissen haben wir eine Art 3D-Karte der Beziehung zwischen Eingangs- und Ausgangsparametern.

An dieser Stelle kommt ein sogenanntes Surrogatmodell in Frage. Dabei handelt es sich um eine theoretische Verbindung zwischen Eingabe- und Ausgabeparametern, die eine schnelle Auswertung der Ausgabedaten bei neuen Eingabedaten ermöglichen soll.

Dieses Modell liefert Ergebnisse, die wieder in die Simulationssoftware eingegeben werden. Dadurch wird die Präzision der Daten geprüft und bestätigt, dass die Ergebnisse besser sind als die älteren. Am Ende des Algorithmus steht der bestmöglichen Wert der Ausgabedaten entsprechend der Eingabeparameter. Außerdem wurde auch die  3D-Position des optimalen Fixierungspunktes ermittelt.

 

Technischer Prozess des Projekts mit Iterationsverfahren.

Die folgenden Bilder eines 3D-Beispiels helfen dabei diese Optimierung im Detail zu verstehen:

 

Vergleich zwischen dem ersten Entwurf ohne jegliche Optimierung (links) und dem Entwurf nach Anwendung des Simulationsverfahrens zur Optimierung (rechts).

Im linken Fall handelt es sich um den ersten Entwurf des Kunden ohne jegliche Optimierung. Im rechten Fall haben wir den Optimierungsprozess genutzt, um unter anderem die Kabellänge, die Befestigungsposition sowie -ausrichtung zu ändern. Auch der Kontakt zwischen dem Kabel und den umgebenden Teilen, der Reibung und somit Schaden verursachte, wurde beseitigt. Außerdem wurden der Biegeradius der dynamischen Schleife vergrößert und dadurch die Haltbarkeit gesteigert.


Weitere Perspektiven und Fazit

Durch die Einführung von Design Space Exploration, unserem neuen Simulationsansatz, konnten wir die Effizienz und Genauigkeit unserer Simulationsprozesse deutlich erhöhen. Die Implementierung eines Optimierungsalgorithmus zur schrittweisen Annäherung an das optimale Design des Kabelbaums in einem vordefinierten Raum ermöglicht es uns, Optimierungsanforderungen innerhalb von 24 Stunden zu lösen. Anstatt manuell eine Vielzahl von Iterationen durchzuführen, können wir so die nun gewonnene Zeit nutzen, um uns unseren Kunden zu widmen.

 

AUTOR

Antoine Porot

Simulation Expert

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